Durchs Flachland

66 Seen – Etappe 1 – Von Potsdam nach Marquardt

Seit rund zwei Jahren schlummert in uns der Plan, den 66-Seen-Wanderweg mit seinen 419km Wegstrecke rund um Berlin Stück für Stück zu erarbeiten. Immer wenn Zeit ist. An langen Wochenenden. An freien Tagen. In Urlauben, in denen wir sonst nichts weiter geplant haben. Kurz entschlossen und ohne große Planerei begann das Abenteuer um 06:21 Uhr an einem Montagmorgen mit der Durchsicht der Etappen, der Inspiration durch Insta, Mastodon und anderen Wanderblogs, dem Planen der Strecken mit dem Nahverkehr, Uhrzeiten der Züge, pipapo. Der Rest: Anziehen, Frühstücken, Equipment packen und los. Und so starteten wir um 10 Uhr mit unserer Ausrüstung gen Abenteuer und der ersten Etappe von Potsdam nach Marquardt.

Hier klicken, um den Inhalt von www.komoot.de anzuzeigen

An-/Abfahrt

Der Startpunkt (siehe auch Map) der Etappe befindet sich im Schlosspark Sanssouci unweit des Schlosses an der historischen Hollandmühle. Die Anreise empfiehlt sich also mit der Regionalbahn.

Von Berlin Hauptbahnhof (alternativ auch: Alexanderplatz, Friedrichstraße, Zoologischer Garten oder Wannsee):

  • RE1 (Richtung Brandenburg) bis Charlottenhof
    Die Züge fahren stündlich, vorab die Anfahrt Charlottenhof kontrollieren
  • S7 (Richtung Potsdam) bis Potsdam Hauptbahnhof, Umstieg in die RB 22 (Richtung Flughafen BER) bis Charlottenhof
    Die S-Bahnen verkehren im 10 Minuten Takt, von Potsdam fahren Alternativen alle 5-20 Minuten Richtung Charlottenhof, nicht nur die RB 22, bitte Aushänge beachten oder App-Auskünfte einholen.

Von Marquardt (Endpunkt):

  • RB 21 (Richtung Berlin Gesundbrunnen) bis Berlin Gesundbrunnen
    auch über Spandau und Jungfernheide
  • RB 21 (Richtung Potsdam Hbf) bis Potsdam Hauptbahnhof
    hier weiter mit S7 Richtung Innenstadt Berlin über Wannsee, Zoologischer Garten, Friedrichstraße, Alexanderplatz, Ostkr
    euz, usw.

Preise für die An- und Abfahrt: Deutschlandticket ist Trumph und in Zügen des Nah- und Regionalverkehrs gültig. Wer ein Ticket braucht, zieht sich in Berlin ein Ticket für den Bereich ABC – die Kosten liegen hier bei EUR 4,40 für Erwachsene, für Kinder bei EUR 3,20 (nur Hinfahrt, 2 Stunden gültig). Günstiger wird nur ein sogenanntes 4-Fahrten-Ticket für den Tarifbereich ABC – Kostenpunkt EUR 15,00. Zu Buchen an allen Automaten der BVG oder S-Bahn-Berlin oder über die Apps der BVG, des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg VBB oder der App der Deutschen Bahn.

Ausrüstung

Für unsere Etappe im Februar bei rund 11° waren wir in mehreren Lagen unterwegs. Unterwäsche, Longsleeve-Shirts, Fleecejacken als Mittellage und darüber Wind- und Regenjacke. Untenrum Funktionshosen (Revolution Race) sowie zipbare Cargohose (Miltec). Obowhl das Gelände eben und die Wege mehrheitlich festen Bodenbelag aufwiesen und eher wenig naturbelassen waren, entschieden wir uns für Wanderstiefel – Bine unterwegs mit Jack Wolfskin Terraventure, ich in Lowa Renegade. Eine Entscheidung, die wir beide bereuen sollten – Trail Runner wären die bessere Wahl gewesen. In zwei Tagesrucksäcken, 22ltr und 28ltr, führen wir neben Akkupacks für Technik jeweils einen Liter Trinkwasser, sowie eine Thermoskanne mit Kaffee mit. In zwei Vesperboxen führen wir Brote etwas Obst und Gemüse für den Hunger mit uns – für den Zuckerkick zwei Waffeln für den Nachmittag. Für den Fall, dass wir in die Dunkelheit laufen sollten, haben wir vorsorglich LED-Stirnlampen dabei. Die mitgeschleppte GoPro hat leider vor dem ersten Einsatz den Geist aufgegeben, da sie die ganze Zeit an war und fröhlich den Inhalt ihrer dunklen Kiste filmte, um endlich, bei Einsatz, gänzlich leer zu sein.

Der Weg

Unsere Etappe startet am Bahnhof Charlottenhof in der Brandenburger Vorstadt, einem Stadtteil von Potsdam. Von hier geht es durch einen wunderschönes Villenviertel an der Erlöserkirche vorbei direkt in den Schlosspark Sanssouci (“ohne Sorgen”) – dem Versaille des alten Fritz. Ohne Umschweife geht es durch die Mittellallee auf den Terrassenberg auf Sanssouci zu, vorbei am großen Brunnen am Fuße der Terrassen, der, wie vieles im Winter, sehr traurig wirkt. Wir gehen jedoch nicht die Terrassen nach oben und auch nicht die Rampen daneben, sondern links durch die Nordischen Gärten und dahinter rechts in die Maulbeerallee. Am Ende der Maulbeerallee liegt auf der linken Seite die Historische Hollandmühle – hier beginnt der 66-Seen-Wanderweg.

Wir folgen dem Weg links an der Mühle vorbei (nicht der Straße “An der Orangerie”) und stoßen nach wenigen hundert Metern – oh Wunder – auf den ersten See des Wanderweges. Idyllisch schmiegt sich der Bornstedter See in die Landschaft und davon nicht genug: An das gegenüberliegende Ufer gesellt sich das Krongut Bornstedt dazu – ein Landgut mit vielen Werksgebäuden im toskanischen Stil (siehe auch Titelbild) – hier kann man einkehren und speisen, im Sommer mit seinen Kindern auf Sommerfesten und Märkten verweilen und natürlich preußischen Tand und handgecrafteten Nonsens kaufen.

Am See entlang geht es die Bornstedter Straße, leider eine vielbefahrene Bundesstrasse, doch zum Glück können wir sie bald hinter uns lassen und uns rechts hoch zum Ruinenberg [2] (74m) begeben – auf diesem Ruinenberg im nordöstlichen Teil des Schlossparks Sanssoucis ließ bereits der Alte Fritz ein Wasserreservoir für die Brunnen und Kanäle im Park errichten und damit das ganze auch nach etwas aussieht, wurden rund um das Reservoir antikisierende Gestaltungselemente in Form von Ruinen gruppiert. Imposant anzusehen.

Dutzende Fotos einer an einer ionischen Säule lasziv posierenden Bine später geht es südöstlich raus aus dem Parkgelände durch die Jägervorstadt mit “…vorherrschenden Bebauung […] vom vorstädtischen Landhaus über die freistehende Villa bis zum gründerzeitlichen Mietshaus und Verwaltungsgebäude […], aber […] auch herrschaftliche Villen mit mittleren Parkanlagen…1

Nach Querung der Jägerallee wird es noch viel interessanter. Wir betreten eine ehemals russische Kolonie auf preußischem Boden, die Alexandrowka [3]. König Friedrich Wilhelm III. ließ die russische Kolonie als Zeichen der Bande zwischen dem russischen und preußischen Adelshaus nach der Niederlage Napoleons errichten, in dem die letzt verbliebenen 12 Sänger eines ehemals 62-köpfigen russischen Chores einzogen. Die Siedlung besteht aus insgesamt zwölf Gehöften, deren freistehende Giebelhäuser ein- und zweigeschossig sind (Fachwerkhäuser, die mit halbrunden Baumstämmen verkleidet wurden, um den Eindruck eines russischen Blockhauses zu erwecken) , aus einem zweistöckigen Aufseherhaus ohne großen Garten und einem Haus bei der orthodoxen Kirche auf dem Kapellenberg.

Nach der Durchquerung der Alexandrowka geht es östlich durch Beyer- und Kleine-Weinmeisterstraße direkt in die Neuen Gärten am Heiligen See (den zweiten See auf der Tour). Neben zahlreichen kleineren historischen Gebäuden, befinden sich in den Neuen Gärten vor allen Dingen das Marmorpalais [4] sowie mit dem Cecilienhof das (auch historische) Highlight der Parkanlage – hier besiegelte das 1945 ausgehandelte Vier-Mächte-Abkommen das Ende des zweiten Weltkrieges, jedoch auch die Teilung Deutschlands, Europas und eigentlich der gesamten Welt in West- und Ostblock. Wer keine Lust auf all den historischen Krams hat, ist am Heiligen See aber bestens aufgehoben – irgendwo auf der anderen Seite wohnt der aus Funk und Fernsehen bestens bekannte Günter Jauch. Und auch andere zahlreiche Prominente der nahen Hauptstadt haben sich am oder nahe des Sees niedergelassen. Fertigt Euch ein Prominenten-Wohnsitz-Bullshit-Bingo-Kärtchen an und zieht los.

Wir verlassen die Neuen Gärten nördlich an der alten Meierei und können an deren Ufer einen ersten Blick auf den nördlich anschließenden Jungfernsee (See Nummer 3) werfen. Danach wenden wir uns dem westlich gelegenen Pfingstberg (76m) zu – eine Erhöhung, die zum Neuen Garten gehört, aber getrennt davon weiter westlich liegt. Hier oben steht das Schloss Belvedere [5], dass sich Friedrich Wilhelm IV hier nach italienischem Vorbild errichten ließ.

Vorbei am Jüdischen und wenig später am zur Alexandrowka gehörendem russisch-orthodoxen Friedhof geht es durch eine Parkanlage zum Kappellenberg (55m) hinab, auf dem der wunderschöne Bau der russisch-orthodoxen Kirche, der Alexander-Newski-Gedächtniskirche, steht, die mit ihren Zwiebeltürmen im altrussischen Stil und weiteren romantisierenden Stilmitteln für die russischen Sänger der Alexandrowka errichtet wurde.

Beim Verlassen des Parks in nordwestlicher Richtung gehen wir noch einmal an dem russischen Friedhof mit seinen markanten, orthodoxen Doppelkreuzen vorbei, dann verlassen wir die Parkanlage und entlang der Nedlitzer Straße verlassen wir nach rund 11km das Potsdamer Stadtgebiet. Mehr Sightseeing als denn Wanderung durch die Mark Brandenburg.

Kurz vor KM 15 erreichen wir das Örtchen Nedlitz, das gefühlt nur aus Laubenpiperkolonien besteht. Hier weichen wir vom Wanderweg ab, denn wir wollen einen Blick auf den Weißen See (See Nummer 4) werfen, den der Weg zwar anpeilt, aber knapp verfehlt. Am Ufer des Sees bzw. des Sacrow-Paretzer-Kanals, der alle Seen hier miteinander verbindet haben wir eine fantastische Aussicht auf die Landzunge von Neu-Fahrland auf der gegenüber liegenden Seite des Sees, die zwischen Weissem See, dem Kanal und großen Fahrlander See (see Nummer 5) gebildet wird. Gerade das wilde Wetter mit starken Windböen lässt das Wasser aufbrausen und Wellenkämme durchziehen den Kanal. Insgesamt macht sich auch der Regen der vergangenen Tage bemerkbar: Das Wasser der Seen drückt in die umgebenden tieferen Felder und große Wasserflächen stehen in der Landschaft, viele Uferwiesen sind überspült, ufernahe Senken im Wald gut gefüllt.

Im Hinterland des Sacrow-Paretzer-Kanals wandern wir zwischen Feldern auf teils betonierten Forstwegen die verbleibenden Kilometer entlang. Der Wind hat aufgefrischt und peitscht auf den freien Flurlandschaften und Rinderweiden mit fröhlichen 70-80 km/h über uns hinweg. Lustige Schilder an Wiesenrändern klären uns auf, dass Lebensgefahr durch freilaufende Rinder bestünde – einzig war keine einzige Kuh zu sehen – allerdings auch kein Weidezaun. Da können schon mal Fragen auftauchen. Erschwerend zu Wind und Wetter kommt hinzu: Es ist Februar und nach 16 Uhr – es dämmert bereits. Zum Glück haben wir Stirnlampen dabei.

Nach Überquerung der Marquardter Chaussee (B273) geht in nordwestlicher Richtung den Schwarzen Weg zur Eisenbahnbrücke entlang, hier müssen wir den Kanal zusammen mit der Eisenbahn queren und sind froh, auf der Rückseite der Kanalbrücke eine Treppe zum Fussgängüberweg der Brücke zu finden. Nicht erschrecken, wenn nur einen Meter neben Euch ein Güterzug oder eine Regionalbahn im vollen Galopp an Euch vorbeibrettert – es trennt uns wenigstens ein Zaun von der Gleisanlage.

Auf der anderen Seite sind es rund einen Kilometer Fußweg am Kanal entlang, bis wir rechts in den Marquardter Schlossgarten abbiegen. Bevor wir uns dem Schloss Marquardt zuwenden, stehen wir jedoch bei einsetzender Dunkelheit, tosendem Sturm und repesktablen Wellengang am letzten See des Tages, dem Schlanitzer See (See Nummer 6).

Direkt dahinter erhebt sich malerisch das Schloss Marquardt im Park – jedoch sehen wir leider nicht mehr genug. Was bleibt in der Nachbetrachtung durch Lektüre: Es empfiehlt sich, den dazugehörigen Wiki-Artikel zur wechselvollen Geschichte, gerade in jüngster Zeit, des Schlosses anzulesen. Ich sage nur: Studio Babelsberg, ich hör dir trapsen.

Die erste Etappe endet schlussendlich nach kurzem Trab durch die Stadt Marquardt am Bahnhof. Hier bringt uns die stündliche fahrende RB 21 wieder zurück nach Berlin Gesundbrunnen.

Galerie

Fazit

Abgesehen vom Wetter, dass mit seinem Grau in Grau zumindest die Fotografin der Tour nicht sonderlich erbaut hatte, war es eine sehr interessante Tour. Der größte Teil der Tour führte durch die Parks der Schlösser von Potsdam, eher eine Sightseeing-Tour als denn eine Wanderung durch die Natur Brandenburgs. Doch manchmal muss man die Infrastruktur auch erst verlassen, um dahin zu gelangen, wo man hinwill. Arg aufgestoßen sind uns die Asphalt- und Betonstrecken – klar, ab und ab sind auch Bundes- und Landstraßen unvermeidlich – dass aber zum Teil auch Forstwege nicht nur gekiest sondern mit Betonplatten ausgelegt waren, dass war uns aufgrund unseres sehr schweren Schuhwerks doch zuviel. Hier hätten wir uns doch eher leichtere, elastischere Trail Runner gewünscht. Aber dennoch: Eine schöne Auftaktetappe – wir freuen uns nun auf weitere Etappen auf unserem langen Weg entlang der Seen rund um Berlin.

Weiterführende Links

  • Etappenübersicht
    Alle Etappen des Wanderwegs in der Übersicht
  • Wanderino auf Mastodon
    Verfolgt unsere Touren live auf Mastodon als Textnachrichten zwischendurch
  • Wanderino auf Insta
    Auch als Stories könnt Ihr unsere Touren zeitnah mitverfolgen, hier gibt es später die schönsten Aufnahmen und Mitschnitte der Tour als Reels
  • Tracking auf Komoot
    die gemachte Tour mit GPS-Tracks und Highlights

RSS
Instagram
Mastodon

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert